
Als Veranstalterin, Autorin und ehemalige Buchhändlerin kenne ich beide Seiten: Buchhändler, Vereine, Schulen und andere Veranstalter möchten literarische Lesungen anbieten. Und Autorinnen und Autoren brauchen Zeit, Aufwand und Vorbereitung, um Lesungen vorzubereiten, zu lesen und gegebenenfalls zu begleiten. Eine gute Lesung heute umfasst mehr als nur Vorlesen.
Viele Autorinnen und Autoren orientieren sich an der Empfehlung des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS) von 500 Euro pro Lesung (bis vor Kurzem 300 Euro). Diese Orientierung dient als Anhaltspunkt, ist aber keineswegs als starre Regel zu verstehen. Die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort – Raumsituation, Eintrittspreise, Zusatzverdienste aus der Lesung, Umfang der Werbung und saisonale Faktoren – beeinflussen das Honorar maßgeblich.
Je nach Kontext unterscheiden sich die Modelle deutlich: Ein Buchhandel bietet oft zusätzlichen Service und Sichtbarkeit, während Vereine vor allem kulturelle Werte vermitteln möchten und weniger auf Buchumsätze angewiesen sind.
Beispiel Buchhandel: Die Buchhändlerin/der Buchhändler wird für besondere Unterhaltungsangebote von den Kund:innen Extrasterne für Service und Leistungen erhalten. So erhält die Buchhandlung Sichtbarkeit, bleibt im Gespräch und wirbt für sich. Zudem erhält die Buchhandlung auf jedes verkaufte Buch bis zu 45 % Rabatt vom Verlag oder dem Barsortiment.
Beispiel Kulturverein: Gewinn steht hier nicht im Fokus und Bücher von der Autorin oder dem Autoren kann der Verein nicht mit Buchhandelsrabatt erwerben und verkaufen. Bei einer Lesung hier geht es darum Kultur zu wertschätzen, eine Bühne einerseits zu bieten und den Menschen Abwechslung zum Alltag mit Handy und Streamingdiensten zu bieten.
Der Unterschied wird, glaube ich, an diesen beiden Beispielen schon recht deutlich. Meines Erachtens ist ein Mindesthonorar sinnvoll – ich verlange 100 Euro pro Lesung – wenn keine weiteren Kooperationen vorliegen. Gleichzeitig sollten klare Spielräume für Kooperationen definiert werden. Kooperationen können vielfältig sein: Verpflegung bereitstellen, Lesung mit Signierstunde kombinieren, Lesetische mit Material (Lesezeichen, Zusatzmaterial) bereitstellen oder Werbemaßnahmen gemeinsam planen.
Wichtig ist eine offene Kommunikation auf Augenhöhe. Versteckte Bedingungen (z. B. Pflicht, eigenes Werbematerial zu subventionieren, keine Verkaufschance vor Ort) führen zu Missverständnissen und Schaden der Zusammenarbeit. In Einzelfällen kann eine komplett honorarfreie Lesung sinnvoll sein, z. B. bei karitativen Zwecken; hier sollten klare Absprachen getroffen werden, wohin etwaige Erlöse fließen.
Als Veranstalterin stehe ich natürlich auch in der Verantwortung und möchte keine Lesung ohne Entgelt für die Autorin/den Autor abhalten. Jedoch zeigt sich in der aktuellen Veranstaltungs- und Wirtschaftslage zunehmend, dass klassische Vorab-Honorare bei Lesungen ökonomisch kaum noch realisierbar sind. Viele Interessierte reagieren sensibel auf steigende Eintrittspreise – ab einer gewissen Schwelle bleiben potenzielle Zuhörer:innen leider fern. Das führt zu leeren Stühlen, was weder in meinem Sinne noch der Autorin oder des Autors ist.
Dennoch soll natürlich auch eine angemessene Wertschätzung für die künstlerische Leistung erfolgen. Daher habe ich mich für ein transparentes und faires Modell entschieden:
- Die Autorin/Der Autor erhält 80 % der Eintrittseinnahmen
- Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eigene Bücher vor Ort zu verkaufen – der komplette Erlös aus dem Buchverkauf verbleibt bei der Autorin/ beim Autor.
Dieses Modell hat sich in der Praxis bereits vielfach bewährt und bietet sowohl den Veranstaltenden als auch den Autor:innen eine solide Basis für eine erfolgreiche und gut besuchte Lesung.
Ich freue mich auf dein/Ihr Interesse und auf eine gute Zusammenarbeit!